Von einem „Perspektivwechsel in der Einwanderungspolitik“ spricht Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Das neue Chancen-Aufenthaltsrecht ist mit dem Beginn des neuen Jahres in Kraft getreten. Es eröffnet neue Möglichkeiten für zugewanderte Menschen, die in Deutschland bereits gut integriert sind und trotzdem seit vielen Jahren nur mit einer Duldung hier leben.
Die Innenministerin erklärt: „Die bisherige Praxis der Kettenduldungen wollen wir beenden. Damit beenden wir auch die Bürokratie und die Unsicherheit für Menschen, die schon Teil unserer Gesellschaft geworden sind.“ Zugleich stellt sie klar: „Wer Straftaten begeht oder hartnäckig über seine Identität täuscht, bleibt vom Chancen-Aufenthaltsrecht ausgeschlossen.“
Wer profitiert von dem Gesetz?
Das neue Gesetz betrifft Menschen, die sich zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre lang legal in Deutschland aufgehalten haben – also hier geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis versehen sind. Voraussetzung ist, dass sie nicht erheblich straffällig geworden sind und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen.
Welche Chancen bekommen diese Menschen?
Sie erhalten eine 18-monatige Aufenthaltserlaubnis. In dieser Zeit können sie die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht erfüllen. Sie müssen nachweisen, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und deutsch sprechen können. Zudem muss ihre Identität geklärt werden. Das betrifft insbesondere Personen, die ohne Pass eingereist sind.
Was passiert, wenn die Bedingungen nicht erfüllt werden?
Wenn die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach den 18 Monaten nicht vorliegen, fallen die Betroffenen wieder in den Status der Duldung zurück.
Wer bleibt von der Regelung ausgeschlossen?
Straftäter*innen sind vom Chancen-Aufenthaltsrecht grundsätzlich ausgeschlossen. Verwehrt bleiben die neuen Möglichkeiten auch Personen, die ihre Abschiebung aufgrund von wiederholten, vorsätzlichen und eigenen Falschangaben oder aktiver Identitätstäuschung verhindern.
Warum gibt es eine Stichtagsregelung?
Es handelt sich um eine Übergangslösung, die von dauerhaften Regelungen abgelöst werden soll. Unter anderem hat die Bundesregierung Ende November 2022 Eckpunkte für eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vorgelegt. Die Stichtagsregelung soll die potenziell Berechtigten auch dazu motivieren, ihre Anträge zügig zu stellen. Denn der Mechanismus der Ketten-Duldungen ist auch für die Verwaltungen aufwendig. Zum gesetzlichen Stichtag am 31. Oktober 2022 haben sich in der Bundesrepublik Deutschland 248.182 geduldete Ausländer*innen aufgehalten, davon 137.373 seit mehr als fünf Jahren.
Wie bewerten die Kommunen das Chancen-Aufenthaltsrecht?
Während der Bundestagsanhörung am 28. November 2022 äußerten sich die kommunalen Spitzenverbände kritisch. Daniela Schneckenburger vom Deutschen Städtetag verwies auf die hohe Belastung der Ausländerbehörden, die durch Russlands Angriff auf die Ukraine noch einmal verstärkt worden sei. Sie wünschte sich mehr Vorlaufzeit, damit die Kommunen sich auf das neue Gesetz vorbereiten können. Auch der Deutsche Landkreistag bezweifelt, dass die neuen Regelungen die Ausländerbehörden entlasten. Das Gegenteil sei der Fall, meinte Klaus Ritgen. Während der Städtetag das neue Gesetz trotzdem im Grundsatz begrüßt, sieht der Landkreistag dafür keinen Bedarf.