Worum es geht, bringt der SPD-Abgeordnete Kaweh Mansoori so auf den Punkt: „Unter den Voraussetzungen eines demokratischen Rechtsstaates schnell planen, entscheiden, Rechtsklarheit bekommen, umsetzen.“ Die Praxis sieht bei großen Infrastrukturvorhaben anders aus. Das liegt unter anderem daran, dass vor Verwaltungsgerichten Einwände gegen die Projekte verhandelt werden müssen – und diese komplexen Verfahren ziehen sich oft lange hin.
Hier setzt ein Gesetzentwurf der Ampel-Koalition an. Vorbild sind die beschleunigten Verfahren, mit denen als Reaktion auf den Gasmangel in kurzer Zeit LNG-Terminals genehmigt wurden. Nun soll auch die Verfahrensdauer für andere Vorhaben mit hoher wirtschaftlicher oder infrastruktureller Bedeutung verkürzt werden. Dabei geht es vor allem um die Energiewende – also zum Beispiel den Bau von Windrädern und Stromnetzen – und um die Verkehrs-Infrastruktur.
Überholspur für wichtige Infrastrukturprojekte
Das geplante Gesetz soll ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot schaffen. Das heißt: Wichtige Infrastrukturvorhaben können von den Verwaltungsgerichten künftig gegenüber anderen Verfahren priorisiert behandelt werden. Schon früh im Verfahren soll ausgelotet werden, ob der Rechtsstreit gütlich beigelegt werden kann. Falls nicht, soll ein klarer Verfahrensplan festgelegt werden, mit dem das weitere Vorgehen strukturiert und gestrafft wird.
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärt: „Wenn offenkundig kleinere Mängel vorliegen, die selbstverständlich beseitigt werden, kann es doch nicht sein, dass man immer wieder bei Null anfängt.“ Solche „heilbaren Fehler“ sollen Gerichte bei ihrer Entscheidung außer Acht lassen können. Sie sollen außerdem die Möglichkeit erhalten, den Beginn einer Baumaßnahme trotz laufender Verfahren schon zu erlauben, wenn die Maßnahme reversibel ist – man sie also zurückbauen kann und das Risiko für bleibende Schäden überschaubar ist.
Man wolle auch „dafür sorgen, dass die klägerische Seite ihre Argumente bitte alle sofort auf den Tisch legt“, so Buschmann. Es soll also nicht mehr möglich sein, im Laufe des Verfahrens immer wieder neue Einwände gegen das Projekt einzubringen. Außerdem will der Minister in den Gerichten mehr Expertise bündeln: Sie sollen sich spezialisieren, um dann schneller zu Entscheidungen gelangen zu können.
Erster Schritt für schnellere Planungs- und Genehmigungsprozesse
„Wir wollen einen neuen Pragmatismus im Umgang mit Planung und Genehmigung, der unser Land zukunftsfähig macht“, sagt der SPD-Abgeordnete Mansoori. Es gebe keine saubere und unabhängige Energieversorgung ohne Windräder, keine Digitalisierung ohne Netze und keine Verkehrswende ohne Schienen. Auf Letztere müssten die Menschen derzeit bis zu 40 Jahre warten.
Das neue Gesetz könne aber nur ein erster Mosaikstein eines großen Gesetzespaket sein, das die Koalition in diesem Jahr schnüren wolle, ergänzt der Mansooris Fraktionskollege Matthias Miersch. Letztlich gehe es um die Frage, ob wir bereit seien, für die notwendigen Transformationsprozesse das Ich zurückzustellen und dem Wir mehr Gewicht zu geben. „Wenn in Lüneburg ein Windpark gerichtlich untersagt werden kann, weil der Blick auf eine alte Windmühle beeinträchtigt ist, dann ist das etwas, womit wir diese Transformation nicht schaffen können.“
Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Landkreistag befürworten den Gesetzentwurf der Bundesregierung. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) begrüßt grundsätzlich das Ziel, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, insbesondere wenn es um Energiewende, Mobilitätswende und Klimaschutz geht. Der vorliegende Entwurf enthalte jedoch gravierende rechtliche Mängel, kritisieren die Naturschützer*innen in einer Stellungnahme. Zudem könnten die vorgeschlagenen Maßnahmen nur eine begrenzte Wirkung entfalten, da vermeidbare Verzögerungen in Gerichtsverfahren vor allem durch Personalmangel und technische Herausforderungen verursacht würden.
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