Die Debatte um politisch korrekte Sprache wird heutzutage immer häufiger geführt, nicht zuletzt auch in Kommunalparlamenten. Hohe öffentliche Aufmerksamkeit erregte etwa jüngst ein neues BGH-Urteil, wonach Frauen keinen Anspruch haben, auf Bankformularen und Vordrucken in einer grammatisch weiblichen Form angesprochen zu werden. Auch in Verwaltungen und öffentlichen Institutionen geht es um diese Frage, etwa wenn Gender-Regelungen für Drucksachen festgelegt werden.
Kritik am „Gender-Wahn“ zerpfückt Stefanowitsch
Manchen geht das zu weit. Insbesondere im politisch rechten Spektrum ziehen viele gegen einen angeblichen „Gender-Wahn” zu Felde oder sehen Zensur am Werk, wenn in Kinderbüchern das Wort „Negerkönig” durch „Südseekönig” ersetzt wird. Auf der anderen Seite sind im eher linken Lager abwertende Begriffe wie „Fidschi” oder „Zigeuner” geächtet. Aber auch hier stoßen Reformvorschläge wie Gender-Sternchen oder Binnen-I-Regelungen nicht überall auf Zustimmung. Solcherlei Kritik zerpflückt Anatol Stefanowitsch souverän.
Für ihn ist politisch korrekte Sprache eine Frage der Moral, wie er in seiner gleichnamigen Streitschrift darlegt. Zunächst nimmt sich der Autor folgerichtig verschiedene Einwände gegen politische Korrektheit vor – um sie zu entkräften. Maßgeblich ist für ihn die „goldene Regel”: Erstens: Stelle andere sprachlich nicht so dar, wie du nicht wollen würdest, dass man dich an ihrer Stelle darstelle. Und die positiv formulierte Variante heißt: Stelle andere sprachlich stets so dar, wie du wollen würdest, dass man dich an ihrer Stelle darstelle!
„Goldene Regel“ im Gepäck
Mit dieser Regel im Gepäck analysiert Stefanowitsch gängige Argumente gegen diskriminierungsfreie Sprache und widerlegt sie. Er nimmt sich beispielsweise das eingangs erwähnte „generische Maskulinum“ vor und erklärt plausibel, warum dadurch Frauen systematisch versteckt würden und sie stets darüber nachdenken müssten, ob sie mitgemeint seien oder nicht. Für ihn ohne Zweifel ein klarer Fall für die goldene Sprachregel.
Doch hier bleibt er nicht stehen, sondern untersucht die Bandbreite der Diskussion um politisch korrekte Sprache. Sein Verdienst ist, dass er auch Methoden für das Erkennen abwertender Ausdrücke entwickelt, wenn Unsicherheiten bestehen: „Wenn eine Gruppe eine Bezeichnung für sich selbst gewählt hat (und diese innerhalb der Gruppe gut akzeptiert ist), verlangt die goldene Regel, dass wir diese Selbstbezeichnung soweit respektieren und verwenden, wie wir es für uns selbst fordern …“ Ausnahmen bleiben nicht unerwähnt.
Stefanowitsch gibt Denkanstöße
Stefanowitsch gibt viele Anstöße zur Reflexion zum Umgang mit Sprache und Anleitungen zum moralischen Sprechen – ohne dass es ihm darum geht, jemandem Sprachvorschriften zu machen. Sein Credo: „Wer keinen Hass empfindet, wer nicht herabwürdigen will, für den sollte es selbstverständlich sein, sprachliche Ausdrücke zu meiden, die von anderen als hasserfüllt oder herabwürdigend empfunden werden.”