Manchmal dauert es zahlreiche Monate, bis aus einem angekündigten politischen Großprojekt Gesetz wird. Doch in Corona-Zeiten geht vieles schneller, so auch bei der Entlastung der Kommunen: Am 3. Juni hat der Koalitionsausschuss die Eckpunkte dazu beschlossen, drei Wochen später hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dem Kabinett zwei Gesetzentwürfe vorgelegt. Diese wurden umgehend beschlossen. Nun stimmt am heutigen Donnerstag der Bundestag ab.
Bund ersetzt die Hälfte der Gewerbesteuerausfälle
Die Zeit drängt auch, denn den Städten und Kreisen brechen wegen der Corona-Krise die Einnahmen weg. Allein bei der Gewerbesteuer werden in diesem Jahr Ausfälle von 11,8 Milliarden Euro erwartet. Die Hälfte dieser Summe will der Bund den Kommunen ausgleichen. Die andere Hälfte sollen die Länder ihren Kommunen ersetzen.
Das ist der eine Baustein des kommunalen Solidarpakts der Regierung. Der andere: Auch bei den Sozialkosten sollen die Kommunen entlastet werden. Der Bund will seinen Anteil an den Kosten der Unterkunft (KdU) für Arbeitsuchende, die Grundsicherungsleistungen beziehen, von derzeit 50 auf bis zu 74 Prozent erhöhen. Das wird den Bund etwa 3,4 Milliarden Euro pro Jahr kosten.
Der Solidarpakt ist so konstruiert, dass möglichst alle Städte und Landkreise davon profitieren. In den strukturschwachen Kommunen, in denen die Zahl der Arbeitslosen hoch ist, belasten die Sozialausgaben den Haushalt überdurchschnittlich stark. Ihnen verschafft die Entlastung bei der KdU-Kosten neue finanzielle Spielräume. In den strukturstarken Kommunen wiederum spülen die Gewerbesteuereinnahmen in normalen Zeiten besonders viel Geld in die Haushaltskasse. Sie profitieren deshalb stärker davon, dass der Bund die coronabedingten Steuerausfälle ersetzt.
Grundgesetz wird angepasst
Damit der Bund mehr als 50 Prozent der Unterkunftskosten übernehmen kann, muss das Grundgesetz geändert werden. Andernfalls würde automatisch die sogenannte Bundesauftragsverwaltung eintreten. Das heißt: Der Bund bekäme weitreichende Aufsichtsbefugnisse, die Kompetenzen der Kommunen würden beschnitten.
Deshalb hat Finanzminister Scholz nun – neben dem Gesetz zur Entlastung der Kommunen – auch einen Entwurf für eine Grundgesetzänderung vorgelegt. Reformiert werden soll der Artikel 104a, in dem das Inkrafttreten der Bundesauftragsverwaltung geregelt ist.
Hilfe für Kommunen soll Konjunktur beleben
Aus Sicht der Bundesregierung ist der kommunale Solidarpakt nicht nur eine Hilfsmaßnahme für Kommunen, sondern zugleich ein Konjunkturprogramm. Die Kommunen seien wirtschaftlich wichtig, betont Scholz. Der Hintergrund: Zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen werden von Städten und Gemeinden getätigt. Auf lokaler Ebene könne die Wirtschaft mit Investitionen besonders schnell und effektiv wiederbelebt werden, heißt es aus der SPD.
Was umgekehrt ein Verzicht auf Finanzhilfen bedeutet hätte, machte Nürnbergs Kämmerer Anfang Juni im Gespräch mit der DEMO deutlich. „In Nürnberg fehlen uns laut einer Hochrechnung im Jahr 2020 148 Millionen Euro Steuereinnahmen, davon knapp 110 Millionen aus der Gewerbesteuer.“ Bei Gesamteinnahmen von knapp einer Milliarde würden also ohne Rettungsschirm rund 15 Prozent wegfallen. „Wir hatten ursprünglich mit einem Überschuss von 90.000 Euro geplant – jetzt wird unser Haushalt für 2020 tief in die Miesen fahren.“
Aus eigener Kraft sparen könne die Stadt Nürnberg nur, indem sie Investitionen aufschiebt, erklärte Riedel, der auch dem Finanzausschuss des Deutschen Städtetags vorsitzt. Aber das sei schwierig. „Denn die im Investitionsplan aufgeführten Projekte sind eigentlich dringend notwendig: Schulsanierung, Schulneubau, Kindergartenausbau, Hortausbau, Verkehrsinfrastruktur, Sanierung von Straßen und Brücken.“ Auch Kulturbauten müssten in Nürnberg saniert werden, ansonsten drohten Betriebsschließungen.
SPD-Kommunale: „Wichtiges Signal“
Frank Baranowski, Vorsitzender der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK) und Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, sagte zum Kabinettsbeschluss im Juni: „Jetzt können die Kommunen darauf bauen, noch in diesem Jahr die versprochenen Entlastungen zu erhalten.“ Der Vorsitzende der Bundes-SGK appellierte damals an die Beteiligten in Bundestag und Bundesrat, den Gesetzen zuzustimmen und den Kommunen die notwendige Luft zum Atmen zu geben. Denn die Handlungsfähigkeit der Kommunen in der Krise müsse gesichert, ein sprunghafter Anstieg der kommunalen Verschuldung vermieden und die Investitionsfähigkeit der Kommunen in und nach der Krise gesichert werden.
Baranowski richtete auch einen Appell an die Länder. Diese müssten jetzt ebenfalls ihren Teil leisten, um die Kommunalfinanzen und die Infrastruktur in den Kommunen abzusichern. Diese Forderung sei explizit auch an „Herrn Laschet in Nordrhein-Westfalen“ gerichtet, da die CDU/CSU auf Bundesebene eine Lösung der weiterhin bestehenden Altschuldenproblematik im Rahmen der Verhandlung des Konjunktur- und Krisenbewältigungspaketes blockiert habe, so Baranowski.